Quelle: HBS
PodcastsSystemrelevant Podcast: Welche Regeln sollen im Homeoffice gelten?
Johanna Wenckebach und Marco Herack unterhalten sich über die Diskussion zum Homeoffice im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Bedingungen mobile Arbeit positiv gestaltet werden kann.
[14.05.2021]
Als Leiterin des Hugo Sinzheimer Insituts für Arbeitsrecht setzt sich Johanna Wenckebach intensiv mit den aktuellen rechtlichen Fragen rund um das mobile Arbeiten auseinander. Auf Einladung der SPD sprach sie zum Thema Homeoffice auch als Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Welche Punkte von den Parteien im Ausschuss besonders heiß diskutiert wurden und wie das Recht auf Homeoffice unter den richtigen gesetztlichen Bedingungen auch dabei hilft, Spaltungen und Ungleichheiten zu verhindern, erklärt die Juristin in unserer neuen Podcast-Folge.
Covid-19 hat die mobile Arbeit in vielen Beschäftigungsverhältnissen zur neuen Normalität erklärt. Doch nach über einem Jahr Pandemie besteht weiterhin großer Regulierungsbedarf, was den Arbeitsschutz in den eigenen vier Wänden, die Einhaltung von Arbeitszeiten sowie die zentrale Frage betrifft, wer überhaupt ein Anrecht auf Homeoffice haben sollte. Im Bundestagsausschuss debattierten Parteien und Sachverständigen deshalb, um ein neues Gesetzesvorhaben zur mobilen Arbeit auf den Weg zu bringen.
Angestoßen wurde eine intensivere Diskussion zu den rechtlichen Grundlagen rund um mobiles Arbeiten bereits letztes Jahr durch Hubertus Heil. Nachdem sein Entwurf zum „Recht auf Homeoffice“ seitens der Union abgelehnt wurde, stand ein abgemilderter Vorschlag der Koalition zur Debatte. In diesem wurde aus dem geplanten Anspruchsrecht ein Erörterungsrecht: Beschäftigte können den Arbeitgeber zu ihrem Anspruch befragen, der dann entscheiden muss.
Rechtsanspruch schafft Arbeitsschutz für alle
Johanna Wenckebach deutet auf den entscheidenden Unterschied im Machtverhältnis insbesondere für weniger hoch bezahlte Beschäftigte hin. „Je niedriger der Berufsabschluss, umso geringer die Chancen mobil arbeiten zu dürfen“, verdeutlicht sie und erklärt, wie ein geeigneter Rechtsanspruch aussehen müsste. Dieser sähe vor, dass Anträge auf mobile Arbeit ausschließlich auf Basis festgelegter betrieblicher Gründe abgelehnt werden können, wobei auch die familiäre Situation der Beschäftigten gewichtet wird.
Einen Zwang zum Homeoffice aufgrund betrieblicher Sparmaßnahmen dürfe es hingegen unter keinen Umständen geben. Der Arbeitsplatz muss als sozialer Ort für den Austausch, die gewerkschaftliche Organisation sowie auch im Besonderen für Netzwerke unter Frauen erhalten bleiben.
Seitens der Arbeitgebervertreter wird gerne in den Raum gestellt, Anrechte auf Homeoffice spalteten die Beschäftigten. Doch es sind vor allem Ungleichheiten, fehlender Arbeitsschutz und kompetitive Konzepte – wie das „Desk-Sharing“, bei dem sich Beschäftigte um einen Arbeitsplatz reißen sollen – die eine Spaltung verursachen, erklärt Wenckebach. Ein rechtlicher Rahmen schaffe hingegen echten Arbeitsschutz – und zwar für alle. Dies betrifft besonders die Regulierung von Arbeitszeiten.
Entgrenzungsgefahr bei ungeregelten Arbeitszeiten
Studien verweisen deutlich auf die Tendenz der Beschäftigten, im Homeoffice länger zu arbeiten. Union und FDP sehen hier Anlass, die bestehenden Arbeitszeitgesetze abzulösen – ein gefährlicher Schritt, der laut Wenckebach ohne Zweifel verheerende Folgen hätte. Auch die Arbeitsmediziner im Ausschuss verdeutlichten, dass eine Entgrenzung von Arbeit und Privatleben bei ständiger Erreichbarkeit und übermäßigem Verpflichtungsgefühl große gesundheitliche Risiken birgt.
Neben der Entgrenzungsgefahr sind auch anfallende Kosten für den heimischen Arbeitsplatz nicht zu unterschätzen. Obwohl diese nach geltendem Recht auf den Arbeitgeber fallen, bestehen weiterhin Grauzonen, die auch ausgenutzt werden.
Schutz statt Kontrolle
In einem weiteren Vorstoß will die FDP die Arbeitsstättenverordnung ersetzen, welche konkrete Forderungen an einen gesunden Arbeitsplatz auch im Homeoffice stellt. Dass die heimische Privatsphäre der Menschen durch Arbeitsschützer beeinträchtigt würde, versteht Johanna Wenckebach jedoch als vorgeschobenes Argument. Wirkliche Gefahr erkennt sie hingegen in digitalen Kontrollmechanismen, wie beispielsweise der Messung der Anschlagsgeschwindigkeit auf Tastaturen.
Dafür brauche es unbedingt eine Erweiterung des Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes: „Hier einen klaren Rechtsrahmen zu setzen, halte ich für ein essenzielles Zukunftsthema!“, bekräftigt die Juristin mit Blick nach vorne.
WEITERE INFORMATIONEN ZUR FOLGE
Beitrag im Böckler Impuls zu den Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten
Beitrag im Böckler Impuls zur gemeinsamen Arbeitszeitgestaltung
Berichterstattung über den Bundestagsausschuss zum Recht auf Homeoffice
Hier das Transkript zur Folge 56 als PDF herunterladen!
Alle Informationen zum Podcast
In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann