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HSI-Schriftenreihe

: Die konditionierte Allgemeinverbindlicherklärung

Seit Jahren sinkt die Zahl der tarifgebundenen Arbeitgeber kontinuierlich. Die 2022 verabschiedete Mindestlohnrichtlinie der Europäischen Union, die bis November 2024 von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist, sieht für Mitgliedstaaten mit einer tariflichen Abdeckung von weniger als 80 Prozent die Verpflichtung vor, Maßnahmen zu deren Erhöhung zu ergreifen. Die Förderung von Tarifverhandlungen ist dabei kein Selbstzweck, sondern soll der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen lohnabhängiger Menschen dienen und zur gerechten Lohnfindung beitragen.


Zur Stärkung der Tarifbindung rückt eine Wiederbelebung und Reform der Allgemeinverbindlicherklärung wieder vermehrt in den Fokus der tarifrechtlichen und verfassungsrechtlichen Diskussion. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen nach § 5 TVG ist ein wichtiges Instrument, um die Tarifwirkung auch auf solche Arbeitgeber zu erstrecken, die keinem Arbeitgeberverband angehören oder durch einen Haustarifvertrag gebunden sind. Gleichzeitig sind exklusive Leistungen für Gewerkschaftsmitglieder und Differenzierungsklauseln wirksame Instrumente, um auf Arbeitnehmerseite die Gewerkschaftsmitgliedschaft attraktiv auszugestalten. Lassen sich also mit dem Ziel, sowohl die Geltung von Tarifverträgen auszuweiten als auch die tarifautonome Betätigung zu stärken, beide Instrumente miteinander verbinden?
Prof. Dr. Olaf Deinert, Georg-August-Universität Göttingen, bejaht diese Frage und schlägt eine Konditionierung der Allgemeinverbindlicherklärung zur Stützung des Tarifsystems vor.
Der Tarifvertrag bleibt für alle Arbeitgeber innerhalb seines Geltungsbereichs unabhängig von der Verbandsmitgliedschaft weiterhin bindend, allerdings - und das ist nun die Krux - im Hinblick auf die konditionierten tarifvertraglichen Leistungen nur im Verhältnis zu den kraft Mitgliedschaft tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. So wären Arbeitgeber weiterhin vor "Schmutzkonkurrenz" geschützt und auf Arbeitnehmerseite bliebe ein Anreiz für die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften. Prof. Olaf Deinert zeigt im vorliegenden Gutachten verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung einer solchen konditionierten Allgemeinverbindlicherklärung auf. Sie reichen von einer Gesetzesänderung des § 5 Abs. 4 TVG bis hin zu verschiedenen Möglichkeiten auf der Grundlage des bestehenden Rechts: Beschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung als solcher oder durch Gestaltung des Tarifvertrags selbst. Schließlich wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese Wege auch in rechtlich zulässiger Weise beschritten werden können.
Dieses Gutachten wird die rechtspolitische und rechtswissenschaftliche Diskussion um die Wiederbelebung und Reform der Allgemeinverbindlicherklärung befördern.

Quelle

Deinert, Olaf: Die konditionierte Allgemeinverbindlicherklärung
HSI-Schriftenreihe, Frankfurt am Main, ISBN: 978-3-7663-7399-1, 92 Seiten

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